Klappentext:
Julius Hertzfeldt ist fünfundsechzig und ein renommierter Psychoanalytiker, als er ernsthaft erkrankt. Zeit, sich wichtigen Fragen zu stellen. War sein Wirken wirklich bedeutungsvoll? Er erinnert sich an einen Fall, bei dem er kläglich versagt hat. An Philip Slate, den er einst wegen dessen Sexsucht in Behandlung hatte. Dieser ist immer noch so arrogant und ichbezogen wie früher, dennoch behauptet er mittlerweile, sich selbst geheilt zu haben – und zwar mit Hilfe der Lektüre von Arthur Schopenhauer …
Meine Meinung:
Ich bin mir relativ sicher, dass ich von mir aus niemals zu diesem Buch gegriffen hätte. Umso schöner finde ich es, dass mein Buchclub sich dazu entschieden hatte, genau das aber zu tun. Und so verließ ich meine Wohlfühlblase der Fantasybücher und lernte sehr viel über Gruppentherapien und Arthur Schopenhauer.
Der Auftakt des Buches wird ziemlich klar vom Klappentext beschrieben: Es geht um Julius Hertzfeldt. Er hat jahrelang erfolgreich als Psychoanalytiker gearbeitet und betreut noch immer Gruppen und Klient*innen. Doch dann wird ein Melanom bei ihm festgestellt und plötzlich ist das Ende seines Lebens sehr nah. Laut den Ärzten hat er noch ein Jahr zu leben und das führt dazu, dass Julius sich mit seinem bisherigen Leben auseinandersetzt.
Dabei durchforstet er seine alten Akten und stößt auf jemanden, den er trotz intensiver Arbeit nicht hatte helfen können: Philip Slate. Um zu erfahren, wie es dem jungen Mann heutzutage geht, sucht Julius ihn auf und könnte überraschter nicht sein. Denn Philip hat sich seinen Worten nach nicht nur von seiner einst unstillbaren Sexsucht geheilt, sondern ist auch auf dem Weg, selbst ein Therapeut zu werden.
Das ist der Auftakt einer spannenden Reihe an Gruppentherapiesitzungen. Philip und Julius vereinbaren, miteinander zu arbeiten und dafür tritt Philip einer der Gruppen bei, die Julius betreut. Darin trifft er auf Tony, Bonny, Rebecca, Gill, Stuart und später auch Pam. Jede*r in der Gruppe hat seine ganz eigenen Probleme, die mal mehr und mal weniger Aufmerksamkeit erfordern.
Zwischen dieser Geschichte gibt es immer wieder Kapitel, die eher einem Sachbuch gleichen. In denen erfährt man viel über das Leben und Wirken von Arthur Schopenhauer. Von seinen großen philosophischen Gedanken, seinem zerrütteten Verhältnis zu seiner Mutter und seinen Eigenheiten, die ihn zeitlebens einsam sein ließen.
Ehrlich gesagt wusste ich lange Zeit nicht, wohin das Buch so wirklich mit mir will. Philip ist als Protagonist nicht unbedingt sympathisch, dafür ist er zu besserwisserisch, überzeugt und unnahbar. Julius zieht sich als Hauptprotagonist schon bald in den Hintergrund, ebenso gerät auch seine Krankheit und deren Folgen in den Schatten. Ich bin mir ehrlich gesagt nicht einmal sicher, wer nun so wirklich der oder die Hauptprotagonist*in in dem ganzen sein soll.
Die Abschnitte von Schopenhauer waren mal interessant, mal aber auch zäh und haben mich komplett aus dem Lesefluss geworfen. Dafür konnten mich aber die Gruppensitzungen immer mehr in den Bann ziehen und die Interaktionen zwischen den einzelnen Protagonist*innen haben das Buch sehr interessant gemacht. Schade fand ich, dass einige Konflikte nicht aufgelöst und aufgegriffen wurden. Außerdem fand ich die Entwicklung einiger der Protagonist*innen zu forciert und nicht glaubwürdig – vor allen Dingen, wenn ich an Tony und an Pam denke. Das hätte der Autor meiner Meinung nach besser lösen können.
Zusammenfassend bleibt zu sagen, dass „Die Schopenhauer-Kur“ kein gewöhnliches Buch ist. Der Stil und der Aufbau sind etwas Neues und ermöglichen einen interessanten Spagat zwischen Belletristik und Sachbüchern. Die Gruppentherapien stechen besonders hervor und konnten mich immer wieder in den Bann ziehen. Leider bleiben einige Protagonist*innen relativ flach, andere Entwicklungen wirken out of character und der Fokus war für mich nicht immer ganz klar. Trotzdem bin ich froh, das Buch gelesen zu haben und schon gespannt, wohin mich der Buchclub als nächstes führt.
Lest das Buch, wenn: Ihr schon immer mal mehr über Schopenhauer erfahren wolltet.
Nicht lesen, wenn: Ihr klare Strukturen und in sich konsistente Protagonist*innen sucht.