Klappentext:
Die unsichtbare Bibliothek – ein Ort jenseits von Raum und Zeit und ein Tor zu den unterschiedlichsten Welten. Hier werden einzigartige Bücher gesammelt und erforscht, nachdem Bibliothekare im Außendienst sie beschafft haben. Irene Winters ist eine von ihnen. Ihr aktueller Auftrag führt sie in eine dem viktorianischen London ähnelnde Welt, wo eine seltene Version der Grimm’schen Märchen aufgetaucht ist. Doch was als einfacher Einsatz beginnt, wird allzu schnell ein tödliches Abenteuer …
Meine Meinung:
Ich weiß nicht, ob es nur mir so geht – aber Bücher, in denen es um Bücher / Bibliotheken / Bibliothekar*innen geht, üben eine besondere Anziehungskraft auf mich aus. Und wenn sie dann auch noch so hübsch sind, wie die Reihe von Genevieve Cogman, dann muss ich einfach in diese Welt eintauchen.
Und die ist erst einmal anders als erwartet und doch erwischt man Irene, die Hauptprotagonistin, direkt bei der Arbeit: Sie ist in einem alten Internat und bereitet gerade den Diebstahl eines Buches vor. Denn genau das ist ihre Aufgabe als Bibliothekarin der unsichtbaren Bibliothek: Wichtige Werke aus den unterschiedlichsten Welten zusammenzusammeln und in die Dimension bringen, in der die Bibliothek verankert ist.
Irene macht das fast schon ihr ganzes Leben lang. Ihre Eltern sind ebenfalls Bibliothekar*innen und so wurde Sie in dieses Leben hineingeboren. Sie hat schon immer mit dem Wissen gelebt, dass es unzählige Parallelwelten gibt und dass die Bibliothek praktisch zwischen diesen schwebt. Ihre Aufgabe, Bücher zu retten und zu bewahren, führt sie daher immer wieder in die verschiedenen Welten mit den unterschiedlichsten Gesellschaften, Zeitläufen und Lebewesen.
Irene kann den einen Auftrag gerade abhaken, da wird sie von ihrer Vorgesetzten bereits erneut auf die Reise in eine Welt geschickt. Doch einiges ist bei diesem Auftrag anders: Zum einen bekommt Irene einen Auszubildenden mit, den sie unter ihre Fittiche nehmen soll. Kai erweist sich als gutaussehender und intelligenter junger Mann. Und zum anderen reisen sie in eine Welt, in der das Chaos sich bereits ausgebreitet hat. Das macht dieses ganze Unterfangen zu einem besonders gefährlichen und die Jagd nach dem Buch wird nicht so leicht, wie Irene es gerne hätte. Als dann auch noch andere Kräfte aus der Bibliothek dabei sind, sich einzumischen, geraten Irene und Kai in ein Spiel auf Leben und Tod.
Irene ist eine sehr gescheite junge Frau. Sie ist sehr wortgewandt – was man als Bibliothekar*in auch sein muss – und hat einen sehr scharfen Verstand. Sie ist sehr humorvoll, dehnt die Regeln gerne aus und ist nicht immer nur perfekt. Sie verfällt in Tagträume, in Angstzustände und ist dennoch schlau genug, sich davon nicht unterkriegen zu lassen. Sie zu begleiten und ihre Gedanken mitzubekommen, war daher höchst amüsant, nachvollziehbar und spannend.
Die Nebenprotagonist*innen sind ebenso bunt wie vielfältig. Da wäre Kai, von dem man nicht ganz weiß, was ihn eigentlich antreibt, Lord Silver mit seiner Tragik und Dramatik, Bramabante, die ihre eigenen Spielchen spielt oder der Detektiv Mr. Vale, der Irene mit seinem scharfen Verstand das Wasser reichen kann. Sie alle wirken ein wenig besonders und sind nicht unbedingt die klassischen Protagonist*innen, die man so kennt.
Das Besondere und zugleich auch Herausforderndste an diesem Buch ist die ganze Konstruktion der Welten und die der einzelnen Gesellschaft, in die Irene eintauchen muss. Zu verstehen, wie die Bibliothek da mit drinnen hängt, wie die Parallelwelten funktionieren und warum Irene tut, was sie tut, war schon nicht ganz leicht. Doch dann auch noch die Hierarchien und Gesellschaftsstrukturen zu durchsteigen, mit denen Irene sich in London konfrontiert sieht, und in denen Lichtenstein, Elfen, Vampire und Zeppeline eine Rolle spielen, war nochmal eine ganz andere Herausforderung.
Insgesamt hat mich dieses Buch einfach sehr gereizt. Irene ist eine angenehme Protagonistin, die ein wenig eigenbrötlerisch ist. Ihr Witz ist sehr trocken und ihren Gedanken zu folgen, hat immer Spaß gemacht. Manchmal war mir die Weltenkonstruktion zu viel, doch insgesamt hat es sich gerade noch die Waage gehalten und ich konnte der Geschichte schlussendlich doch folgen – so zumindest mein Eindruck.
Das Besondere, was dieses Buch – das immer wieder sehr absurde Ereignisse und Unterhaltungen beinhaltet – ist die Sprache und die Auseinandersetzung mit Satzkonstruktionen. Ich liebe es einfach, wie Irene darüber nachdenkt, welche Wörter ihr Gegenüber gebraucht und warum und was das aussagt. Für einen Menschen, der so viel mit Sprache arbeitet, ist das einfach fantastisch.
Ich bin nun sehr gespannt, wo es für Irene hingeht und was sie mit all ihren Entdeckungen macht!
Lesen, wenn: Ihr Bücher und Sprache und abgedrehte Welten liebt.
Nicht lesen, wenn: Ihr Probleme habt, wenn es zu viele Verwicklungen und Protagonist*innen gibt.